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Die szene turmbau zu babel in Fritz Langs film metropolis wurde an der siedlung jungfernheide in der dünenlandschaft der rehberge mit mehreren hundert kahlgeschorenen komparsen gedreht.
Das praktikabel mit treppe und aufgebautem sonnenschutz rechts im bild dient sowohl als kamerapodest als auch als startposition für einige komparsen, die von der kameraposition aus hinabsteigen und auf dem der kamera gegenüber stehenden grossen praktikabel mit breiter freitreppe wieder hinaufsteigen, zusammen mit einer grösseren menge weiterer komparsen.
Vom grossen praktikabel mit der breiten freitreppe, die im film beidseitig von zwei monumentalen pylonen im mesopotamischen stil begrenzt wird, ist hier links im bild nur ein teil des schattens und die vorderen stufen zu sehen.
Am äussersten linken rand des fotos ist das kostüm des ›schöpferischen menschen‹ zu erkennen: Ein helles gewand, das mit schwarzen symbolen besetzt oder bestickt ist.
Ob das kostüm im zeitpunkt der aufnahme des fotos vom hauptdarsteller der szene, Fritz Alberti, getragen wird, bleibt unklar. Sollte das foto eine stellprobe oder lichtprobe zeigen, könnte Alberti von einem probendouble vertreten worden sein.
Ausserhalb des linken bildrandes verläuft hinter dem grossen praktikabel die heutige transvaalstrasse. Das grosse praktikabel steht etwa auf höhe der heutigen senegalstrasse. Beide strassen sind bereits mit den kleinhäusern der siedlung jungfernheide bebaut.
Die drei grau erscheinenden, hochformatigen paneele in der bildmitte sind mit blech beschlagen und reflektieren das sonnenlicht auf das grosse praktikabel, das im film mit dem rücklicht der sonne und aufgehellt durch die reflektoren erscheint.
Die kamerabrücke mit flüstertüte (megafon) zwischen dem ersten und zweiten reflektor wird für die aufnahme der fünf ströme von kahlköpfigen verwendet, die im film durch mehrfachbelichtung übereinander montiert sind.
Auf der höhe des rechten teils der grossen sicheldüne im hintergrund des fotos verläuft heute der carl-leid-weg im volkspark rehberge.
Auf der düne weiter links im bild, im bereich der menge der schaulustigen, wurde später das heute noch vorhandene baumrondell angelegt. Vor der stilllegung der schiessplätze in der jungfernheide diente die grosse sicheldüne als kugelfang der schiessbahnen, die die heutige transvaalstrasse etwa rechtwinklig kreuzten.
Rund einen monat nach abschluss der dreharbeiten in den rehbergen reicht Ludwig Mies‘ büro beim bezirksamt wedding den bauantrag für die wohnanlage an der afrikanischen strasse ein.
Die ortsbestimmung dieses fotos von Horst von Harbou ergibt sich nicht aus dem fotos selbst, sondern aus Harbous übrigen aufnahmen der dreharbeiten in den rehbergen. Sie ermöglichen eine genaue ortsbestimmung der kulissen und praktikabeln in bezug auf die umliegende bebauung.
Die siedlung jungfernheide ist eine kleinhaussiedlung aus der zeit der weimarer republik im afrikanischen viertel des früheren berliner verwaltungsbezirks wedding.
Sie liegt zwischen goethepark und afrikanischer strasse am volkspark rehberge und besteht aus den siedlungshäusern an senegalstrasse, tangastrasse, ugandastrasse, dualastrasse, sambesistrasse und den häusern des nummernbereichs 27 der transvaalstrasse.
Entworfen wurde die siedlung vom architekt Hermann Dernburg. Die bauzeit erstreckte sich auf zwei phasen in den jahren 1920–1922 und 1924–1926. Wegen der hyperinflation im deutschen reich lagen die arbeiten zwischen den beiden bauphasen still .
Beim bau der siedlung jungfernheide blieb ein randstreifen an der afrikanischen strasse frei, für den Hermann Dernburg ausdrücklich keine entwürfe liefern sollte.
Für diesen streifen entwarf statt dessen der architekt Ludwig Mies mitte der 1920er Jahre die aus vier blöcken bestehende wohnanlage an der afrikanischen strasse (Bauzeit 1925–1927), die seither die ränder der siedlung ergänzt.
Die wohnanlage ist Mies‘ grösster kommunaler wohnbau aus der zeit vor seiner emigration in die USA im jahr 1938. Er umfasst mehr als dreieinhalb mal so viele wohnungen wie der von ihm kurz darauf entworfene wohnblock in der stuttgarter weissenhofsiedlung.
an der ecke transvaalstrasse / afrikanische strasse, wo sich heute eine anlage mit tennisplätzen befindet, wäre platz für einen fünften block der wohnanlage gewesen. Dazu scheint kein auftrag erteilt worden zu sein, weil an der transvaalstrasse der haupteingang zum volkspark rehberge entstehen sollte.
Die häuser der wohnanlage an der afrikanischen strasse waren zwar nicht die ersten bauten an der afrikanischen strasse, sie sind jedoch die ersten bauten, die dort hausnummern erhielten, da die afrikanische strasse bei ihrem ausbau ausgehend von der seestrasse abschnittweise für ›anbaufertig‹ erklärt wurde.
Die wohnanlage wurde unmittelbar auf der früheren gemeindegrenze zwischen der stadtgemeinde berlin und der landgemeinde tegel errichtet. Sie verlief an dieser stelle nicht bis zur bildung von gross-berlin im jahr 1920, sondern bis 1915.
Die gemeindegrenze folgte dem verlauf des östlich der grenze fliessenden langen fenns (mehr dazu unter dem thema landschafts-geschichte). Die kleinhäuser der siedlung jungfernheide stehen hingegen vollständig auf dem früheren gebiet der landgemeinde tegel.
eine geschichte mit unerwarteten einsichten
Viele wichtige fragen zur geschichte der siedlung jungfernheide und der wohnanlage an der afrikanischen strasse sind seit jahrzehnten ungeklärt, weil die quellenlage dürftig ist.
In einem neuen ansatz erforschen, dokumentieren und vermitteln wir die geschichte von siedlung und wohnanlage. Dafür erschliessen wir mit hilfe statistischer verfahren ein breites feld vieler kleinteiliger quellen zu siedlung und wohnanlage.
Sowohl bei der siedlung jungfernheide als auch bei der wohnanlage an der afrikanischen strasse handelt es sich wegen ihrer ursprünglich kommunalen trägerschaft und ihrer lage in einem kolonialviertel um politische bauprojekte.
Die erforschung ihrer geschichte braucht deshalb andere perspektiven als die erforschung der geschichte der häuser für private auftraggeber·innen, die mit abstand den grössten teil des gebauten werkes von Ludwig Mies vor seiner emigration ausmachen.
Einer der offensichtlichsten unterschiede im vergleich zu den von Mies entworfenen eigentumhäusern ist, dass die bewohner·innen der kommunalen bauten mit den architekt·innen weder vor noch nach deren fertigstellung persönlich bekannt sind.
Mit blick auf ihren politischen charakter ist die wohnanlage eher mit anderen politischen bauprojekten des architekten für die öffentliche hand vergleichbar, beispielhalber seinen wettbewerbsbeiträgen
- für ein monumentales bismarck-denkmal auf der elisenhöhe bei bingen,
- für den umbau der neuen wache in berlin,
- für den neubau der reichsbank-zentralverwaltung in berlin und
- für den pavillion des nazi-regimes auf der weltausstellung 1935 in brüssel.
Im unterschied zu den entwürfen für diese politischen bauprojekte wurde die wohnanlage an der afrikanischen strasse jedoch tatsächlich auch gebaut.
Für unsere forschung zu siedlung und wohnanlage hat die rekonstruktion des landschaftsbildes zur bauzeit einen hohen stellenwert — sowohl wegen der schlechten quellenlage zur wohnanlage an der afrikanischen strasse als auch wegen der nutzung einer dünenlandschaft für den bau eines kolonialviertels: Welche landschaft sahen die architekt·innen, als sie das künftige baufeld besuchten?
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